Einige Großfamilien, die über ihre Herkunft von einem gemeinsamen Vorfahren wussten, bildeten die noch breitere und relativ schwächer organisierte Gemeinschaft, die sogenannte Tukhum (wortwörtlich „Samen“). Ein Sonderfall der Verwandtschaftsgründung entstand im Fall einer nicht erfolgten Blutrache: wenn der Mörder ebenso ein Jude war und die Verwandten des Ermordeten innerhalb von drei Tagen Blutrache nicht vollzogen, versöhnten sich die Familie des Opfers und die des Mörders und befanden sich von nun an in einer verwandtschaftlichen Beziehung.
Die Bevölkerung eines jüdischen Dorfes bestand in der Regel aus 3 bis 5 Großfamilien. Die ländliche Gemeinde wurde von dem Oberhaupt einer meist respektierten und zahlreichsten Familie jener Siedlung geführt. Die Juden wohnten in den Städten entweder in einem besonderen Vorort (Guba) oder im separaten jüdischen Viertel (Derbent). Anfang 1860er – 1870er Jahre begannen die Bergjuden, sich in den Städten zu siedeln, wo früher sie nicht gelebt hatten (Baku, Temir-Khan-Shura) und in den Städten, die von Russen gegründet worden waren (Petrovsk-Port, Nalchik, Grozny).
Diese Umsiedlung wurde in den meisten Fällen durch die Zerstörung der Rahmen der Großfamilie begleitet, da nur ein Teil von ihr – eine oder zwei kleine Familien – in einen neuen Wohnort umzog. Selbst in den Städten, wo die Bergjuden seit längerer Zeit lebten – in Guba und Derbent (aber nicht in den Dörfern) – begann zum Ende des 19. Jahrhunderts der Prozess der Auflösung der Großfamilie mit der gleichzeitigen Entstehung der Gruppe der Familien von mehreren Brüdern, die durch enge Beziehungen gebunden waren, jedoch nicht untergeordnet der unbestreitbaren Autorität eines einzelnen Familienoberhauptes. Zuverlässige Daten über die Verwaltungsstruktur der städtischen Gemeinde sind nur für Derbent erhältlich. Die Gemeinde von Derbent wurde von drei Personen verwaltet, die von ihr gewählt wurden. Einer von den gewählten war offenbar der Leiter der Gemeinde und zwei Andere waren seine Stellvertreter. Sie waren verantwortlich sowohl für die Zusammenarbeit mit den Behörden, als auch für die inneren Angelegenheiten der Gemeinde. Es gab zwei Stufen der rabbinischen Hierarchie – „Rabbi“ und „Dayan“. Rabbi war Kantor (siehe Hazzan) und Prediger (siehe Maggid) beim Namaz (Synagoge) seines Dorfes oder seines Viertels in der Stadt, er war Lehrer in Talmid-Khuna (Kheder) und Shokhet. Dayan war der Oberrabbiner der Stadt. Er wurde immer durch die Gemeindeführer gewählt und galt als die höchste religiöse Autorität nicht nur für seine Stadt, sondern auch für die benachbarten Siedlungen, war der Vorsitzende im religiösen Gericht (siehe Bet-Din), ausserdem war er Kantor und Prediger an der Hauptsynagoge und leitete die Jeschiwa. Der Wissensstand der Halacha bei denen, die die Jeschiwa absolviert hatten, entsprach dem Niveau eines Schlachters, sie wurden aber als „Rabbi“ bezeichnet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts studierte die bestimmte Anzahl von Bergjuden an den Aschkenas-Jeschiwas Russlands, vor allem in Litauen, allerdings bekamen sie auch dort in der Regel lediglich den Schlachter-Titel (Shokhet) und dienten nach der Rückkehr in den Kaukasus als Rabbi. Nur wenige von den Bergjuden, die an den Jeschiwas in Russland studierten, erhielten den Rabbi-Titel. Offenbar bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Dayan von Temir-Khan-Shura von den zaristischen Behörden als Oberrabbiner der Bergjuden in Norddagestan und im Nordkaukasus betitelt und der Dayan von Derbent wurde als der Oberrabbiner der Bergjuden in Süddagestan und Aserbaidschan bezeichnet. Zusätzlich zu ihren traditionellen Aufgaben bekamen sie von den Behörden die Rolle der Amtsrabbiner.
In der vorrussischen Periode wurden die Beziehungen zwischen der Bergjuden und der muslimischen Bevölkerung durch das sogenannte Omar-Recht (ein besonderes Verzeichnis der gesamten islamischen Regeln gegenüber Dhimmi) bestimmt. Aber hier wurde ihre Anwendung mit einer besonderen Demütigung und einer beträchtlichen persönlichen Abhängigkeit der Bergjuden vom lokalen Herrscher begleitet. Laut Beschreibung des Reisenden aus Deutschland I. Herber (1728) zahlten die Bergjuden den muslimischen Herrschern Geld nicht nur für den Schutz (hier wurde diese Abgabe Kharaj und nicht Jizya, wie in anderen islamischen Ländern genannt), sondern waren sie auch gezwungen, zusätzliche Steuern zu zahlen. Gleichzeitig mussten sie „alle möglichen Arten von schwerer und schmutziger Arbeit leisten, zu der kein Muslime gezwungen war“. Die Juden mussten dem Herrscher umsonst die Waren von ihrem Bauernhof liefern (Tabak, Krapp, Leder etc.), außerdem mussten sie in der Erntezeit auf seinen Feldern arbeiten, an dem Bau und der Renovierung seines Hauses, an den Arbeiten in seinem Garten teilnehmen, sowie ihre Pferde für bestimmte Zeit ausleihen. Es gab auch ein bestimmtes System von Erpressung – Dish-Egrisi: Geldeintreibung durch die muslimischen Krieger für „den verursachten Zahnschmerz“ vom Juden, bei dem sie zu Tisch waren. Bis Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts zahlten einige von den Bergjuden aus den Gebieten von Dagestan weiterhin Kharaj den lokalen muslimischen Herrschern (oder ihren Nachkommen), die von der zaristischen Regierung mit dem zaristischen Adel gleichgesetzt wurden, sie konnten ihr Landgut beibehalten. Es blieben die ehemaligen Pflichten der Bergjuden gegenüber diesen Herrschern in Kraft, die aus der Abhängigkeit herausflossen, die noch vor der russischen Eroberung bestanden hatte. Ein Phänomen, das in den Siedlungsgebieten der Bergjuden erst nach ihrer Einverleibung durch Russland entstand, war das Verleumdungsritual. 1814 gab es aus diesem Grund Unruhen, die gegen die in Baku lebenden Juden gerichtet waren. Diese Juden stammten aus dem Iran und fanden Zuflucht in Guba. 1878 wurden Dutzende von Bergjuden aus Guba auf Grundlage einer Verleumdung verhaftet und 1911 wurden die Juden aus dem Dorf Tarki der Entführung eines muslimischen Mädchens beschuldigt.
In den 20er, 30er Jahren des 19. Jahrhunderts fanden die ersten Kontakte zwischen den Bergjuden und den russischen Juden-Aschkenasen statt. Aber erst in den 60er Jahren wurden mit der Veröffentlichung von Dekreten, die den bestimmten Kategorien von Juden, die außerhalb des sogenannten Ansiedlungsrayons leben dürften, erlaubten, sich in den meisten Siedlungsgebieten von Bergjuden niederzulassen, die Kontakte mit den Aschkenasen Russlands gestärkt und verfestigt. Bereits in den 70er Jahren ließ der Oberrabbiner von Derbent Rabbi Yaakov Itskhakovich-Itskhaki (1848-1917) die Verbindungen zu einer Reihe von jüdischen Forschern aus Sankt-Petersburg knüpfen. 1884 schickte der Rabbiner Temir-Khan-Shuras Rabbi Sharbat Nissim-Ogly seinen Sohn Eliyakha (siehe I. Anisimov) an die Technische Hochschule Moskaus, wo er zum ersten Bergjuden wurde, der einen weltlichen Hochschulabschluss erhielt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Schulen mit der russischen Unterrichtssprache für die Bergjuden in Baku, Derbent und Guba eröffnet; hier wurden neben den religiösen auch weltliche Fächer unterrichtet. Offenbar brachte bereits in den 40er oder 50er Jahren des 19. Jahrhunderts das Streben nach dem Heiligen Land einige Bergjuden nach Erez-Israel. In den 1870er, 80er Jahren besuchen regelmäßig die Gesandten aus Jerusalem Dagestan und sammelten Geld für Khalukka. In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre existierte bereits ein „Kolel Dagestan“ in Jerusalem. Ende der 1880er – Anfang der 90er Jahre lässt sich der Rabbi Sharbat Nissim-Ogly in Jerusalem nieder, 1894 veröffentlicht er eine Broschüre namens „Kadmoniot iekhudey khe-kharim“ („Altertümlichkeiten von Bergjuden“). 1898 nahmen die Vertreter der Bergjuden an der Arbeit des Zweiten Zionistischen-Kongresses in Basel teil. 1907 zog der Rabbi Yaakov Itskhakovich-Itskhaki nach Erez-Israel um und leitete die Gruppe aus 56 Siedlungsgründern in der Nähe von Ramla, die zu seiner Ehre als Beer-Yaakov benannt wurde; ein wesentlicher Teil der Gruppe waren die Bergjuden. Eine weitere Gruppe von Bergjuden versuchte leider vergeblich, sich 1909-1911 in Makhanaim (Obergaliläa) niederzulassen. Iekhezkel Nisanov, der 1908 ins Land kam, wurde zu einem der Pioniere der Organisation Kha-Shomer (1911 von Arabern ermordet). In Kha-Shomer traten auch seine Brüder Iekhuda und Tsvi ein. Vor dem Ersten Weltkrieg erreichte die Zahl der Bergjuden in Erez-Israel mehrere Hunderte Personen. Die meisten von ihnen ließen sich in Jerusalem, im Viertel Bet-Israel nieder.